Er hatte in der Kölner Fußgängerzone sein Quartier bezogen, nicht weit vom Kaufhof entfernt, irgendwo zwischen einer kolumbianischen Panflöten-Gruppe und einem unbegabten Stillsteh-Pantomimen. Er saß auf einem kleinen Klappstuhl, ein Netbook auf den Beinen, eine kleine css-valide Pappkarte war mit nur einem Wort beschriftet: „Blogger“.
Ich stellte mich etwas abseits und betrachtete das Schauspiel. Passanten blieben vor dem Blogger stehen, warteten kurz, lachten vielleicht und zogen weiter. Der Blogger starrte auf sein Netbook, tippte und hob ab und an sein Smartphone hoch und rief „Twitpic“ und schoss ein Bild. Ein kleines Kind warf eine Belgische Pommes nach ihm, was er mit intensiverem Tippen beantwortete. Wahrscheinlich entstand grade ein Artikel über Ess-Störungen.
Irgendwann trat eine junge Frau an ihn ran: „Kann ich grade Mal ins Netz? Ich hatte mich mit meiner Freundin verabredet, weiß aber nicht mehr wo. Es dauert nur eine Minute, ich muss nur schnell in Wer-kennt-wen nachsehen“. Der Blogger sah auf und entgegnete: „Warum finden die Deutschen Guttenberg eigentlich so toll? Soll ich Mal ihnen die tolle neue Visualisierung zeigen, wie er betrogen und gefälscht hat?“ Wollte sie nicht.
Richtig ruhig sitzen konnte der Blogger nicht. Alle zehn Minuten ging er die Straße herunter, um nach 100 Metern prompt wieder zu seinem Klappstuhl zurückzukehren. Beim vierten Mal setze er sich eine Pappkrone auf. Foursquare. Er war nun der Bürgermeister der Einkaufsmeile. Diesen Status nutze er auch, um einen ahnungslosen Express-Verkäufer zu verscheuchen. „Das nennen Sie Nachrichten? Verschwinden Sie!“ Bis zum Neumarkt konnte man seine ironischen Schreie hören „Qualitätsjournalismus!!!“
Eine ältere Dame wollte ihm 50 Cent geben. Doch er hatte keinen Hut, nicht mal einen offenen Geigenkasten. Also verwies er sie auf seinen Flattr-Account. Er könne sie auch bei Facebook liken. Oder retweeten – vielleicht in der Breiten Straße. Oder in Sidney. Das Internet kennt keine Grenzen.
Straßentheater – ich liebe es.