Heute las ich etwas in der FAZ von virtuellen Arbeitsplätzen in Kuba. Gemeint waren keine Kubaner, die ihr Geld im Internet verdienen, sondern um verdeckte Arbeitslosigkeit. Potemkinsche Dörfer sagte man früher dazu. Heute sagt man virtuell.
Was heißt virtuell heute eigentlich? Ist alles was nicht greifbar ist gleich virtuell? Die Virtual Machine von Sun ist ja kein echter Computer, sie tut nur so, als ob sie ein eigenständiges System sei. Wer Virtual Design studiert, kann eigentlich nur als Scheinstudent verstanden werden, oder? Ganz zu schweigen von sozialen Beziehungen. Ich chatte zum Beispiel nur mit virtuellen Freunden, nicht mit echten. Denn alles im Internet ist ja nicht echt, nicht greifbar.
Treiben wir die Fragen auf die Spitze: Ist Gott selbst vielleicht nur virtuell? Viele meinen ihn zwar ganz real zu erleben, aber greifbar ist auch er nicht. Wir stehen mit ihm nur über mehr oder weniger weltliche Gateways in Kontakt. Und für viele Gläubige gibt es irgendwo und irgendwann ein Second Life. Aber lassen wir das.
Virtuell wird allmählich zum ganz realen Unwort. Es wird für alles benutzt, von dem der Sprecher oder Schreiber meint, dass es nicht echt oder richtig ist. Und da sich der Bedeutungsraum inzwischen auf so viele verschiedenen Bereiche erstreckt hat, sagt es eigentlich gar nichts mehr. Es ist ein Wort mit nur noch virtueller Bedeutung.