Der gute Geschmack

Es klingt etwas merkwürdig, aber ich schäme mich etwas vor meinem Computer. Nun, eigentlich gar nicht vor meinem Computer, sondern vor einem Server. Oder drei. Ähm – ich fange von vorne an.

Ich habe einen neuen Account bei last.fm. Das ist ein Internetdienst, der den Musikgeschmack seiner Mitglieder abgleicht, um daraus das perfekte Musikprogramm für jeden Einzelnen zu generieren. Eigentlich nur das Zweitbeste, das Beste gibt es nur für zahlende Kundschaft. Und nicht jeder Künstler darf gestreamt werden. Aber egal.

Eine tolle Sache jedenfalls. Ich logge mich also auf meiner Profilseite ein und da sehe ich tatsächlich meine Musikvorlieben. Individuell. Genau. Datenbankgestützt!

Doch was ist das? Warum ist da so viel Nena auf meiner „Top Artists„-Liste? Und habe ich wirklich so viel Céline Dion gehört? Was sagt das über mich? Um Gottes Willen.

Die nächsten Tage war ich vorsichtig. Ich passte auf, was auf meine Playlist kam, die dann ja flugs an den last.fm-Server übermittelt würde. Abgeschaltet habe ich das nicht – sonst würde ja Nena immer auf der Top List bleiben. Also zückte ich meine Geheimwaffe: Die Dresden Dolls. Ausreichend bekannt und Hip, man muss sich nicht schämen ein Fan zu sein. Und statt Al Steward spielte ich Tocotronic. Und Funny van Dannen. Denn ich habe Humor.

Kurzum: ich habe meinen Musikgeschmack aufgetunt. Ich habe sogar ein paar CDs gekauft, die meinen musikalischen Status etwas anheben werden. Fehlfarben statt Genesis. Apocalyptica statt Adventure Classics. Und irgendeine lateinamerikanisch-norwegische Combo, deren Namen ich nicht mal buchstabieren kann. Damit wird dann meine Playlist gefüllt, ich dreh die Lautsprecher auf laut und verlasse die Wohnung.

Seit drei Wochen komme ich nur noch zum Schlafen nach Hause. Aber mein Musik-Profil ist richtig hip.