Xenophobie

„Im Internet weiß niemand, dass Du ein Hund bist“ – ein verbreiteter Spruch über die vermeintliche Anonymität des Internets. Die Kehrseite klingt positiver: Man wird nicht nach Religion, Aussehen oder Geschlecht beurteilt, wenn man etwas beitragen will.

Allerdings gibt es immer wieder erschütternde Fälle von Host-Diskriminierung. Ein Host ist sozusagen die Kennung des Internetzugangs. An ihm kann man recht einfach erkennen, über welchen Anbieter das virtuelle Gegenüber online ist. Der Host ist – mangels Alternativen – Stammbaum und Hautfarbe zugleich. Wo der Host sichtbar ist, ist er gleichzeitig ein Statussymbol. Die Nutzer von Massenprovidern stehen relativ weit unten in der Hierarchie. Wer zum Beispiel als T-Online-User ins IRCNet will, muss sich doppelte Ausweiskontrollen, Wartezeiten und blöde Sprüche gefallen lassen.

Ganz unten in der sozialen Leiter der Hosts steht allerdings ein Name: AOL. Wer einen am Boden liegen AOL-Kunden tritt, kann sich der Unterstützung der breiten Masse sicher sein. Werft den Purschen zu Poden, er ist ein AOLer!

Der Grund für diese bedauerlichen Auswüchse von Hosthass, denen man immer wieder begegnet, ist geradezu ein klassisches Motiv jeder Xenophobie: es fehlt eine gemeinsame Basis der Verständigung. Wenn der versierte Internetnutzer einem AOL-Nutzer etwas erklären will, kommt es fast zwangsläufig zu Frustrationen, denn der Provider hat seine Kunden von den Lebensgrundlagen im Internet entfremdet. Er weiß daher gar nicht, dass es Programme namens „Browser“ gibt und wozu sie gut sein sollten.

Im Gegenzug drücken AOL-Kunden ihre Freundlichkeit in möglichst grellen Farben und Blümchenmustern aus – mit sovielen Blink-Effekten, wie das jeweilige Medium ermöglicht. Auf einen erfahrenen Internetnutzer, der – sagen wir mal – tagtäglich 200 verschiedene Server administriert, wirkt so etwas, als ob er ein Glas Eigenurin als Begrüßungscocktail angeboten bekommt. Daraus ergeben sich bedauerliche Mißverständnisse, die sich über Jahre und Jahrzehnte immer mehr manifestieren. Eine digitale Kluft – und kein Weltinformationsgipfel kümmert sich darum…